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FAQ: Wieso eigentlich ausgerechnet Bouillon?

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Um mit diesem Missverständnis endlich einmal aufzurämen: Die Vorbereitungen auf die Linuxbierwanderung 2001 begannen schon erheblich früher als allgemein bekannt. Die Wurzeln liegen im Mittelalter, mitten in den Ardennen, im heutigen Süd-Belgien, kurz vor der Grenze zum heutigen Frankreich.


Das war nämlich so: Damals gab es nur ein marktbeherrschendes System, dessen Zweigstellen und Support-Center heute noch in jeder europäischen Stadt stehen. Nun kam in Arabien ein zweites System auf und verbreitete sich heftigst. Da beide die Weltherrschaft anstrebten, konnte das nicht gutgehen. Als arabische user eine den Christen wichtige Stadt eroberten, ging die Randale los. Nur wurde damals nicht mit Marketing, Werbung und komplizierten Preisstrukturen gekäpft, sondern mit richtigen LARTs wie Schwertern, Pfeil und Bogen und Rammböcken und all so schwerem Zeuchs.

Die Vernetzung war auch nur bestenfalls rudimentär vorhanden, sodass DoS-Attacken, Sniffer und ähnliche Tools auch nicht in Frage kamen. Statt dessen war es üblich, dass sich in Westeuropa hordenweise sogenannte "Ritter" zusammentaten, und so richtig physisch quer durch Europa in den Orient reisten, um Jerusalem zu befreien. Sagten sie jedenfalls. In Wirklichkeit waren sie mit ihrem schweren Gerät hier arbeitslos und wollten Ruhm und Ehre für Ihr System einsammeln und ein bisschen im Orient rumplündern. Das war übrigens erheblich schwieriger, als es sich anhört. Wer es nicht glaubt, der reite mal auf einem Gaul oder Esel bis nach Jerusalem. Dieses Protokoll setzte sich auch irgendwie nicht so richtig durch. Erst viel später griff ein anderer Belgier, Eddy Merckx, diese Tradition wieder auf. Allerdings per Fahrrad und mehr so quer durch Frankreich. Aber das ist ein anderes Protokoll mit einem anderen rfc.

Wo war ich...? Ach ja. Bei einem dieser Kreuzzüge hat sich ein gewisser Godefroy von Bouillon durch irgendwelche Heldentaten oder besondere Brutalität oder so hervorgetan und bekam als Belohnung den Titel "König von Jerusalem". Das waren damals Ober-Admins, die umfangreiche Netze administrieren durften. Die Darstellung dieses Herrn hier rechts dürfte aber schon durch die Marketing-Abteilung geschönt worden sein.

Nun sass dieser Godefroy also als Ober-Admin in Jerusalem und administrierte. Irgendwie hat ihm der Job aber nicht lange gefallen, und er wollte sich verbessern. Auf dem Kreuzzug hatte er begriffen, wie ressourcenschonend eine Vernetzung zwischen Arabien und Europa wäre. Er spekulierte, als Wegbereiter der IT-Branche in Europa einen deutlich besseren shareholder value realisieren zu können, als im heissen, schlecht klimatisierten Rechenzentrum in Jerusalem. Er packte sein equipment wieder auf den Gaul, trocknete einige Hommingberger Gepardenforellen als Wegzehrung scharte seine Netzwerker um sich, und bewarb sich mit einer multimedia presentation beim Kaiser in Europa.

Der Kaiser hörte sich Godefroys Buzzword-Bingo mit 46 true-color-Folien über interconnectivity, multimediale structures, global usability, und ähnlichen Kram genauso gelangweilt an wie wir heute, und schickte Godefroy in die belgischen Wälder, wo er eigenverantwortlich ein Vernetzungs-Projekt hochziehen sollte. Auf dem Weg dorthin war Godefroy noch nicht so ganz klar, ob das jetzt eine Beförderung oder eine Verbannung war. Als er ankam, wurde es ihm klar: Letzteres. Der Kaiser hatte ihm mitten im A**** der Welt einen Berg und ein Stück Fluss zugewiesen. Das kommt vom übertriebenen Folienschwingen.


Die Gegend ist dort etwas... nunja... unübersichtlich. Ständig versperren Berge den Blick und unendlich mäandrierende Flüsse den Weg. Eine ordentliche Vernetzung ist unter solchen Umständen natürlich schwierig. Hinzu kam noch, dass die Gegend von verschiedenen rivalisierenden Banden und Crackern ab und zu auch mal bis auf die / deleted wurde.


Die wenigen friedlichen user der Flusstäler sahen deshalb kaum Aufstiegschancen im IT-Bereich, und beschäftigten sich mit Ziegenhaltung und etwas Ackerbau an den allgegenwärtigen Steilhängen. Ansonsten sassen sie gelangweilt an den Flussufern, oder paddelten mit Booten in der Gegend rum, wenn sie sich nicht gerade vor den Crackern verstecken mussten.


Der Verzweiflung nahe, probierte Godefroy den dort üblichen, aus Hommingberger Gepardenforellen gewonnenen vergorenen Fischsaft, und bekam prompt einen Anfall, der in eine Vision ausartete. Er schnappte sich seinen beamer, stellte sich ans Flussufer und bot seinen Untertanen eine topmoderne presentation mit ziemlich viel wirrem Zeuchs von einem Amerikaner, der käme und mit der propietären Software aufräumte und einem Finnen, einem Pingiun-Fetischisten, dessen System die Weltherrschaft übernähme, obwohl das gar nicht im System implementiert sei. Irgendwann in ferner Zukunft kämen ein paar Hundert seiner Jünger zu ihnen in dieses Tal, um ihnen die Segnungen des Unix zu bringen.

Seine Untertanen hörten sich das mehr oder weniger interessiert an, und fragten ihn, was er denn so aus dem Orient zum Rauchen mitgebracht habe. Früher sei er doch nicht so komisch drauf gewesen. Diese Frechheit erboste Godefroy sehr, und er erklärte ihnen ganz genau die Zukunft in der virtuellen Welt, und wie sie sich darauf vorbereiten müssten, um auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Er stellte die user vor die Alternative global final shutdown oder Mehrfachredundanz mit USV. Es interessierte sie beides nicht. Nur mit der Aussicht auf besseren Fischsaft konnte er sie ködern.

Godefroy beendete die Faulenzerei an den Flussufern und befahl, ein Stück des Flusses umzuleiten. In das alte Bett schütteten die Bewohner allerlei Müll und Kram und tote Tiere, eben alles, was von der letzten Fete übriggeblieben war. So leiteten sie den Fluss in eine pipe um einen praktisch gelegenen Berg direkt daneben.

Godefroy gefiel das soweit. Der Berg lag jetzt sozusagen zentral mitten im Fluss und bildete ein stabilen kernel. Jetzt musste erstmal ein filesystem geschaffen werden. Also befahl er den Bau einer Burg mitten auf dem Berg, um sich effizienter gegen die streunenden MCSEs wehren zu können.


Das leuchtete seinen Leuten sogar ein, und sie machten den Job ziemlich gründlich, mit dreifacher Zugbrücke und firewall und Wassergraben und allem, was an Peripherie zu so einem System gehört. Sie machten das dermassen sorgfältig, dass das System heute noch up ist. Godefroy veranstaltete eine Fete mit reichlich Fischsaft, und liess sich ab sofort "Admin" nennen.


Die nächsten Überfälle verliefen genau so wie in der crontable vorgesehen. Die Räuber mussten vor dem Angriff zuerst den Fluss überwinden, und bekamen dann oben von der Burg mit allem eins auf den Deckel, was sich zum Werfen eignete. Einschliesslich toter Tiere, Hommingberger Gepardenforellen und zombie-pids. In kürzester Zeit waren die User in der Lage, alle attacks zu denien. Die Cracker merkten sich das und mieden das System weiträmig. So erfanden sie den path exclude.

Dann erfand Godefroy ein tool zur Optimierung der perfomance beim Fischfang. Es war ein schlichtes Stück Netzwerkkabel mit einem Stock am einen Ende und einem BNC-T-Stück am anderen. Am T-Stück wurde irgendwas befestigt, wovon man annahm, dass es zu Hommingberger Gepardenforellen kompatibel sei. Fetzen alter logfile-Ausdrucke, Windows-Fehlermeldungen, die die Cracker auf der Flucht zurückliessen, irgendwelcher Kram eben. Dann warf man das T-Stück in den Fluss. Als klar war, dass gleichzeitig der Stock festgehalten werden musste, funktionierte das Tool verblüffend gut, weil die Hommingberger Gepardenforellen durch die pipe um den Berg relativ müde und hungrig waren. Die User faulenzten zwar immer noch am Flussufer rum, machten sich aber durch dieses Tool wenigstens beim Fischfang nützlich. So erfanden sie das Multitasking.


Auf diese Weise ist die Versorgung bis heute gesichert, und die User konnten sich allmählich um eigene Systeme kümmern. Sie bauten nach und nach ein paar Reihen Häuser direkt am Flussufer. Die security wurde optimal mit der Burg vernetzt. Irgendwann nannten sie das project nach seinem Gründer: Bouillon. So ging das eine ganze Weile gut. Die Nachfolger des alten Admins waren auch ziemlich geschickt, und die Ansiedlung überstand einige Schwierigkeiten wie Christianisierung, Elektrifizierung, Gründung der Europäischen Union, Teletubbies ohne ernsthafte Rückschläge.


Nur die Segnungen des Unix wollten sich nicht einstellen, wie es der alte Admin prophezeit hatte. Die Bewohner begriffen, dass sie sich externe Fachleute holen müssten. Sie berieten lange, womit sie diese nach Bouillon locken könnten. Das einzige, was nach ihrer Meinung Bouillon für unixoide Pinguine so attraktiv machte, waren die selbst entwickelten sourcen zur Fischzubereitung. Die perfomance des packets "angel_bratpfanne" mit seinen ultrakurzen traceroutes im System Bouillon ist allerdings auch unübertroffen. Die Hommingberger haben bei der Gepardenforelle viel davon lernen können.


Sie beschlossen, die Ergebnisse dieses Programms zu vermarkten. Einige rämten ein paar Rumpelkammern leer, hingen ein Schild raus "Hotel" und propagierten den Massentourismus.


Andere stellten Tische und Stühle ans Ufer, hingen ein Schild raus "Restaurant" und erfanden die Gastronomie. Aus einer Zusammenfassung der sourcen zur Fischzubereitung entwickelten sie die Speisekarte, ein Protokoll zur Kommunikation zwischen visitor und Küchen-admin.


Jetzt endlich zeigte sich auch die Genialität des alten Godefroy. Bouillon besteht ja im Wesentlichen aus einem Berg in der Mitte, einer kreisförmigen Bergkette drumherum, und dem gepipeten Fluss dazwischen. Zuwenig Platz, dachten die Bouillonner zuerst, und bauten erstmal das Flussufer beiderseitig mit Hotels und Restaurants voll.


Dann aber stellte sich heraus, dass genau das der evil hack an Bouillon ist. Egal, von wo nach wo Besucher gehen, es ist entweder ein Berg, oder ein Fluss im Weg. Oft dauert es eine ganze Weile, bis sie realisieren, dass es nur ein Fluss mit einer PID ist.


So stehen die visitors ständig vor Hindernissen und wissen nicht, was sie tun sollen. Sie gucken sich ratlos um, und sehen ausschliesslich Restaurants und Hotels. Also setzen sie sich erstmal hin und essen einige Hommingberger Gepardenforellen.


Was so aussieht, als fülle es eine umfangreiche Prozessliste, ist nix weiter als ein loop mit $FLUSS und $BERG, mit Verzweigungen auf childs mit $HOTEL und $RESTAURANT. Das Ganze ist rekursiv (ein fallback endet immer vor einem $RESTAURANT) und gegen jede Prozesshierarchie. (Ein control-c liefert immer statt einer bash ein $HOTEL)


Inzwischen sorgten die user auch für bessere Getränke. Das Monopol auf den Saft der Hommingberger Gepardenforelle, egal, ob frisch gepresst oder vergoren, stellte sich leider als gastronomisch ziemlich wertlos heraus. Es wurde samt Verfahrenstechnik in eine rheinische Grosstadt verkauft, wo es noch heute als "Kölsch" bekannt ist und angeblich sogar getrunken wird. Auf der Rückreise von diesem Verkauf brachte jemand ein paar Flaschen "Alt" mit. Dieses Prinzip wurde analysiert, abgekupfert und erfolgreich in der Eigenmarke Godefroy umgesetzt.


Das letzte ernsthafte Problem blieb die Vernetzung der beiden Flussufer. Die Besucher mussten immer durch den Fluss waten und kamen dann kletschnass in den Restaurants der anderen Seite an, was oft eine ziemliche Sauerei verursachte.


Was sich beim denien von attacks bewährt hatte, taugte nicht zum commerce mit visitors. Die user dachten schon, so würde das nie was mit dem Unix im höchsten runlevel, und fragten den aktuellen Admin, was sie tun sollten.


Der guckte ratlos von seiner Burg in alle Richtungen auf den Fluss. Drumrumpipen ging ja nun wirklich nicht...


Einige user versuchten sich als Fährmänner. Das bewährte sich aber nicht, a) da die perfomance zu schwach b) der packet-loss zu hoch war, und c) die visitors schon aus Kostengründen lieber den Fluss durchwateten.


Also dachte sich der Admin, wenn ein dermassen stabiles System wie seine Burg möglich sei, müsste die Erweiterung der Peripherie um eine Brücke oder zwei über diesen blöden... sorry, genialen Fluss auch kein Problem sein.


Nach langen Beratungen wurden dann zwei Brücken gebaut. Die bilden jetzt je eine route zwischen jeweils zwei kleinen servern voller Hotels und Restaurants.


Die Genialität des hacks bleibt den Besuchern immer noch verschlossen. Sie latschen kreuz und quer durch Bouillon, landen immer wieder vor Bergen oder Flüssen, freuen sich über die Brücken, überqueren sie, und stehen wieder vor Bergen. Der einzige Ausweg aus dem System scheinen die Restaurants und Hotels, die in Wirklichkeit Teil des Systems sind. (Ein Amerikaner hat dieses Prinzip mal in dem Film "Matrix" schlecht nachgebildet.)


Die Bouillonniks verfeinerten das System dann noch durch einen Tunnel unter dem Berg mit der Burg. Besucher, die ihn durchqueren, stehen auf der anderen Seite vor einem... richtig: Fluss. Loop.


Da Räuber und Cracker in den Wäldern um Bouillon sehr selten geworden sind, rämten die User die Burg ordentlich auf, stellten ihre schönsten Antiquitäten darin auf, und zeigen die Burg den Besuchern, die den Fluss und die Ketten von Restaurants und Hotels auf beiden Seiten überwunden haben und sogar den Berg bestiegen haben. Das ist ein System, das die Hommingberger noch nicht übernommen haben.

Wenn sie mit der Führung durch die Burg fertig sind, und wieder runter vom Berg sind: Was sehen sie, egal, wohin sie sich drehen? Flüsse, Hunger und Berge im Pflichtenheft, und Hotels und Restaurant als fertige tools mit GUI zum anklicken. Loop. Schnitzelmitkartoffelsalat wird auch geboten.


Zum Schluss wurde das Netzwerk noch durch die üblichen sight_seeing_tools ergänzt. Die Kirche wurde ordentlich geputzt, und mit einem Läutwerk versehen, dass kurzfristig sogar recht originell ist. Eine Kreuzung zwischen Trecker und Bimmelbähnchen tuckert, komplett mit visitors gefüllt, über sämtliche Brücken hin und her. Ein, zwei Museen wurden neben die Burg gestellt, und natürlich darf, ganz im Sinne von Folienschwinger-Godefroy, eine Multimedia-Show nicht fehlen. Thema: Kreuzzüge. Nunja...

Das System läuft inzwischen in einer top performance. 2000 Einwohner supporten zu Spitzenzeiten mehrere 10.000 visitors, von denen bis zu 10.000 die route erst am nächsten Tag finden und also Hotelbetten brauchen. Bouillon hat sie. Es entspricht etwa einem load von 5.

Jetzt ging auch der Plan des alten Admin auf. Die Pinguine erkannten dieses Konglomerat von genialen hacks als würdig, und kündigten ihr Kommen für August 2001 an. Die user von Bouillon waren darauf blendend vorbereitet und freuten sich darauf, dass endlich das Unix über ihre Stadt kam.

Inzwischen karrt das Lastminute Reisebüro Düsseldorf ganze Busladungen von Anglern zum Fischen der Hommingberger Gepardenforelle nach Bouillon.

Rainer Kersten

So. Das sind meine Eindrücke aus Bouillon. Jetzt würde ich gerne wieder nach Hause. Ich finde die route aber nicht... Alles voller Berge und Flüsse... Und ständig bietet mir einer einen Platz und nen Drink an... Und diese Hommingberger Gepardenforellen... Hm... Mit Mandeln in Sahnesosse...! Na gut. Aber das ist jetzt die Letzte, ja?

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Text: Rainer Kersten Mail
Photos: Jürgen Brauckmann, Alex Janssen & Rainer Kersten,
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